Antonia Riederer – Komposition
Das Malerische ist die Grunderfahrung im künstlerischen Werk von Antonia Riederer – das Malerische aufbauend auf eine Jahrtausende alte Tradition des Menschen im Umgang mit farbigen Bestimmungen und ihren vielfältigen damit verbundenen Möglichkeiten der Welterfahrung; das Malerische aber auch als in der Geschichte der Moderne des 20.Jahrhunderts und ihrer Nachfolge nochmals intensivierte selbständige Erfahrungswelt. Diese kunsthistorischen Möglichkeiten sind von der Künstlerin intensiv studiert, allerdings dann in weiterer Folge – bis heute – immer wieder persönlich erprobt, neu angewandt und weiterentwickelt worden. Daraus resultiert eine markante Solidität im künstlerischen Umgang mit der Malerei und trotzdem eine überzeugende Frische der unmittelbaren Wirkung bei ihren Bildwerken.
Die jahrelange Erfahrung mit der Balance zwischen diesen künstlerischen Entwicklungsfelder ermöglicht Antonia Riederer eine große Souveränität bei der Komposition ihrer Werke in den unterschiedlichsten Bildformaten. Ob es sich um eine kleindimensionierte Zeichnung, ein Aquarell oder ob es sich um großformatige Gemälde handelt: Stets ist die Setzung der durchwegs farbigen Formen genau „kom-poniert“. Die Künstlerin setzt die jeweiligen Elemente eines Bildes in bewusst ausbalancierter Gewichtung. Jeder Gestaltungsschritt wird von einem entsprechend ausgleichenden anderen begleitet, jede Farbsetzung verweist schon auf ihre Komplementärwirkung, die jedoch weiter geöffnet und somit die Gesamtkomposition in zusammenfassender Wirkung auf konsequente Weiterentwicklung ausgerichtet wird.
So eine künstlerische Vorgangsweise kann sehr schnell zu sehr gewollt wirkenden Ergebnissen führen, aber genau das ist hier nicht der Fall. Die Werke der Künstlerin durchzieht stets so etwas wie ein Hauch der Offenheit. Bei aller austarierter Setzung der Formen sind sie in konsequenter Weise geprägt von einem Aspekt der Leichtigkeit, der auf die grundsätzliche Kraft des Wachstums, der beständigen Weiterentwicklung ausgerichtet ist – basierend auf die erarbeitete künstlerische Souveränität von Antonia Riederer im Umgang mit den kompositorischen Gewichten im Bild.
Ihre künstlerische Kraft des Komponierens bezieht sich dabei stets auf den Blick auf das Gesamte, bei aller kraftvoller Aufmerksamkeit auf das Einzelelement und seine offene Folgewirkung. Die Annährung der Künstlerin an ein neues Bild muss daher immer wieder in umfassender, entsprechend austarierter Gestimmtheit erfolgen.
Deshalb sind ihr auch Werte wie Ordnung, Struktur, Klarheit und insbesondere Harmonie so wichtig: Die Werke der Künstlerin entstehen aus einer solchen Lebens- und Arbeitsumgebung heraus und forcieren eine entsprechende Erfahrungsperspektive der Betrachtung. Zudem ist hier die Grundorientierung auf das Positive bestimmend, eine prinzipielle Ausrichtung auf Aufbauendes und das Phänomen des Wachstums. Diese großangelegte grundsätzliche Haltung bestimmt den Blick auf Kleines und Großes zugleich, auf einen speziellen Moment wie auch eine länger und tiefer ausgreifende Entwicklungsperspektive. Malerei wird in diesem Sinne als schöpferische Kompositionskraft verstanden, als jene formale Energie, mit der sich neue Formzusammenhänge aufbauen lassen, mit der sich eine auf die Kraft des Entstehens ausgerichtete Weltsicht gestalten lässt.
Die Malerei von Antonia Riederer ist aber auch eine dezidiert eigene Sprache, die sich in ihren spezifischen Niederschriften nicht vollständig beschreiben lässt, sondern eine selbständige Erfahrungsgröße gestaltet und vermittelt. Eine sehr menschliche, denn diese Malerei postuliert nicht von vorn hinein, sondern setzt einen umfassenden Annäherungsprozess an unterschiedliche Weltansichten in Gang – stets mit den zuvor genannten Aspekten als grundsätzliche Begleiter der künstlerischen Sprachfindung. Sensible Kraftentfaltung, weit ausholende Einfühlung, konzentrierter Ausdruck und das (menschliche) Bewusstsein, dass jeder Abschluss nur ein vorläufiger sein kann: Eine solche Malerei kennt die entsprechenden Möglichkeiten der künstlerischen Traditionen, um diese persönlich und aktuell aufzubereiten und für die Gegenwart und Zukunft der Betrachtung wirksam zu machen.
Farben und Formen, auch Liniensysteme und Abschattierungen der Pinselstriche werden von der Künstlerin zum Einander-Zusammenfinden gebracht, stets dynamisch ausgerichtet auf die Augen der Betrachtung und die geistigen Weiterentwicklungsmöglichkeiten des geschauten Bildwerks – hin zur verbindend-verbindlichen Komposition einer entwicklungsorientierten, ausgreifend lebendigen Weltsicht.
Peter Assmann | Kunsthistoriker und Künstler
The painterly is the foundational experience in Antonia Riederer’s artistic practice—a painterly rooted in millennia of human engagement with color and its rich possibilities for experiencing the world. It is also shaped by the painterly as a highly refined and autonomous realm of experience within the history of modern art, particularly since the 20th century. These art-historical dimensions have been thoroughly explored by the artist, but more importantly, they have been personally tested, reinterpreted, and further developed over time. The result is a remarkable solidity in her painterly practice—paired with a striking freshness in the immediate impact of her work.
Years of experience balancing these artistic trajectories have given Antonia Riederer a profound compositional sovereignty across a range of formats. Whether in small drawings, watercolors, or large-scale paintings, the placement of her predominantly colorful forms is always deliberate and composed. Each visual element is positioned with a conscious sense of balance. Every gesture in the design process is met with a counterbalancing one; every color decision anticipates its complementary effect—yet this is never rigid. Rather, the composition remains fluid and open, continuously directed toward further development.
Such an approach might risk becoming overly calculated—but in Riederer’s work, this is never the case. Her paintings are imbued with a distinct openness. Despite their structural clarity and compositional precision, they carry an unmistakable lightness, guided by the fundamental force of growth and organic evolution. This lightness stems from the artist’s mastery in handling visual balance.
Antonia Riederer’s compositional strength always considers the whole image while giving powerful attention to each individual element and its unfolding resonance. Her approach to a new work must therefore emerge from a comprehensive and harmoniously attuned mindset— one that reflects both discipline and creative openness.
This is why values such as order, structure, clarity, and especially harmony are so central to Antonia Riederer’s work. Her artworks emerge from a life and creative environment shaped by these principles—and in turn, they invite a contemplative perspective grounded in this same sensibility.
Equally defining is her fundamental orientation toward the positive—a deep commitment to construction, to the phenomenon of growth. This broad, underlying attitude informs her view of both the small and the vast, the fleeting moment as well as long-term, layered developments. In this sense, painting becomes a creative, compositional force: a formal energy through which new visual relationships are built and a worldview grounded in emergence is articulated.
Riederer’s painting is also a distinctly personal language—one that cannot be fully captured through descriptive analysis alone, but instead creates and communicates its own independent experiential dimension. A deeply human one. For this painting does not begin with assumptions, but initiates a thoughtful engagement with diverse worldviews— always guided by the values mentioned above, which serve as essential companions in her artistic search for form and meaning. Her work reveals a sensitive unfolding of energy, a far-reaching empathy, a concentrated expressiveness, and the human awareness that every sense of closure is only ever provisional. Her painting draws on the full range of artistic tradition—not to repeat it, but to transform it personally and contemporarily, making it resonant for the present and meaningful for the future.
Colors and forms, as well as line structures and subtle brushwork, are brought together by the artist in a dynamic interplay— always directed toward the viewer’s gaze and the intellectual possibilities for engaging with the artwork. The result is a cohesive visual composition that expresses a developmental, expansive, and life-affirming worldview.
Peter Assmann | Art historian and artist